Archiv der Webseite des Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften 2004 bis Mai 2015

Die Website archiv.soz-kult.fh-duesseldorf.de ist ein statisches Abbild relevanter Webseiten, die bis Mai 2015 online waren.
Daher sind auch nicht mehr alle Links verfügbar. Die aktuelle Webseite des Fachbereiches ist seit 1. Juni 2015:
soz-kult.hs-duesseldorf.de >>

FH D

Fachhochschule Düsseldorf
University of Applied Sciences

FB 6

Fachbereich Sozial-
und Kulturwissenschaften

19.3.2010






Gevelsberg … auf dem Weg zur Bildungslandschaft!

Forschungs- und Entwicklungsprojekt von Prof. Ulrich Deinet (Forschungsstelle für sozialraumorientierte Praxisforschung und –entwicklung, FSPE).

Vor dem Hintergrund der in Deutschland hohen Zahl von Bildungsabbrüchen, sowie der Schwierigkeiten im Übergang zwischen den einzelnen Bildungsinstitutionen und Bereichen (Kindergarten/Schule insbesondere aber auch Schule/Beruf) steht das Konzept der Bildungslandschaft für eine bessere lokale Planung und Steuerung der gesamten Bildungsinstitution und -anbieter einer Kommune. Die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe, sowie weiteren Partnern stellt für die Entwicklung einer Bildungslandschaft eine zentrale Grundlage dar, aufbauend auf einem breiten Bildungsbegriff, der neben den Orten der formellen Bildung, wie der Schule, besonders auch Orte und Bereiche non- formaler und informeller Bildung in den Blick nimmt. Auch öffentliche Räume, wie Spielplätze sind deshalb als Orte informeller Bildung Bestandteile einer Bildungslandschaft.

Die Stadt Gevelsberg mit 32.000 Einwohnern hat sich auf den Weg gemacht, die Entwicklung einer Bildungslandschaft zu initiieren und die Forschungsstelle FSPE mit der wissenschaftlichen Begleitung beauftragt.

Weitere Information:
Hintergrund dieser Entwicklung in Gevelsberg ist u.a. eine breite Fachdiskussion um das Thema Bildungslandschaft: 2007 wurde im Rahmen eines Kongresses eine Aachener Erklärung veröffentlicht, die als Leitbild für kommunales Engagement in der Bildung den Begriff der Bildungslandschaft prägt (Deutschen Städtetag 2007). In dieser Erklärung werden eine Reihe von Merkmalen und Begründungen kommunaler/lokaler Bildungslandschaften genannt. Zum einen geht es um die Überwindung der Trennung von Bildung, Betreuung und Erziehung. Auch der Jugendhilfe und hier vor allem den Tageseinrichtungen im vorschulischen Bereich wird ein klarer Bildungsauftrag zugemessen (vgl. auch BMFSFJ 2005). Ein weiter Aspekt der Diskussion bezieht sich auf den Bildungsbegriff: Bildung sei mehr als Schule. Damit wird eine Begründung aufgenommen, die im Zusammenhang steht mit einem z.B. vom Bundesjugendkuratorium formulierten erweiterten Bildungsbegriff. Demnach ist Bildung mehr als formelle (schulische) Bildung, sie ist ebenfalls nicht- formelle Bildung, worunter „jede Form organisierter Bildung und Erziehung zu verstehen ist, die generell freiwilliger Natur ist und Angebotscharakter hat“. Und nicht zuletzt ist Bildung informelle Bildung. Darunter werden „ungeplante und nicht-intendierte Bildungsprozesse verstanden, die sich im Alltag von Familie, Nachbarschaft, Arbeit und Freizeit ergeben, aber auch fehlen können. Sie sind zugleich unverzichtbare Voraussetzung und ´Grundton`, auf dem formelle und nicht-formelle Bildungsprozesse aufbauen“ (Bundesjugendkuratorium 2001).

Nach einer anfänglich eher institutionell geführten Diskussion um die Bildungslandschaften im Sinne einer besseren Kooperation und Vernetzung vorhandener Bildungsinstitutionen verweist der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge auch auf Bereiche der informellen Bildung u.a. im öffentlichen Raum. Seine Empfehlungen von 2009 basieren auf der Grundlage eines breiten Bildungsbegriffs: „Bildung ist ein wesentlicher Faktor bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von Städten, Landkreisen und Gemeinden. Eine gut ausgebaute, konzeptionell aufeinander bezogene und verlässlich miteinander verknüpfte Bildungsinfrastruktur, die über die formalen Bildungsinstitutionen des Lernens hinaus (z.B. Kindertageseinrichtungen, Schule, Ausbildung, Universität etc.) auch die Familie, Cliquen, Jugendclubs, den Umgang mit neuen Medien, freiwilliges Engagement in Vereinen und Verbänden, Weiterbildungsangebote, Musikschulen, Bibliotheken, Jugendkunstschulen, Museen als Orte kultureller Bildung etc. einbezieht, kann zur gesellschaftlichen Teilhabe der Bürger/innen eines Gemeinwesens und zu mehr Chancengerechtigkeit beitragen“ (Deutscher Verein 2009, S. 1). Der Deutsche Verein verbreitert mit seinen Ausführungen die bisher formulierten Grundlagen der Entwicklung einer Bildungslandschaft in Richtung non-formaler und informeller Bildungsorte: „Denn Bildungsförderung kann nur dann für alle erfolgreich sein, wenn sie über die Schule hinaus den Blick auf die Vielfalt der non-formalen und informellen außerschulischen Bildungsorte öffnet und diese einbezieht“ (Deutscher Verein 2009, S. 1).

Modellprojekte, Landes- und Bundesprogramme beschäftigen sich mit der Entwicklung von Bildungslandschaften:

  • 'Lernen vor Ort“: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
  • Deutsches Jugendinstitut: „Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Jugendhilfe und Schule“
  • In Nordrhein-Westfalen fördert das Schulministerium sogenannte „regionale Bildungsnetzwerke“ und „regionale Bildungsbüros“, die im Schulbereich (bei Schulverwaltungsämtern in Kommunen und Kreisen) angesiedelt werden.

In Nordrhein-Westfalen ist in der Entwicklung der Bildungslandschaft eine gewisse Schieflage zwischen Jugendhilfe und Schule zu verzeichnen, weil das Schulministerium mit seinem Programm der regionalen Bildungslandschaften das gesamte Feld sehr stark dominiert.

Umso interessanter sind die Versuche einiger Kommunen, kommunale Bildungslandschaften aus der Initiative der Jugendhilfe heraus aufzubauen, wie etwa in Hilden, wo es seit ca. einem Jahr einen kommunalen Bildungsplaner im Jugendamt gibt.

Auch die Initiative der Stadt Gevelsberg kommt aus dem Jugendamt und will die gleichberechtigte Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule zum Motor der Entwicklung einer Bildungslandschaft machen. Bildungslandschaften schließen an bereits vorhandene Entwicklungen an, wie etwa dem Ausbau der Ganztagsschulen, der in Nordrhein-Westfalen im Primarbereich mit der Offenen Ganztagsschule schon sehr weit fortgeschritten ist. Im Bereich der Sek. I (gebundenen Ganztagshauptschule etc.) sowie im Bereich der Sek. II steht eine ähnliche Entwicklung an. Auch die vielfach vorhandenen Ansätze von Schulsozialarbeit werden einbezogen, so dass die Entwicklung der Bildungslandschaften insgesamt auch aus Sicht der Profession von Sozialpädagogen und Sozialarbeitern mit großem Interesse verfolgt werden muss. Denn gerade auf der kommunalen Ebene finden viele die Absolventen der Sozialen Arbeit ihre Anstellungen, zunehmend auch in den Kooperationsbereichen von Jugendhilfe und Schule.

Im Januar 2010 wurde mit der Eröffnungsveranstaltung das Gevelsberger Projekt begonnen, dieses bezieht sich zur Zeit auf folgende Elemente und Bausteine, die sich in der Entwicklung befinden:

Mit einer Bestandsaufnahme sollen alle Bildungsanbieter, Bildungsorte und –räume in Gevelsberg in den Blick genommen werden (von den Schulen über die Einrichtungen der Jugendhilfe, Angeboten im Gesundheitsbereich etc. bis hin zu Spielplätzen und öffentlichen Räumen für Jugendliche). Da es auch in Gevelsberg eine solche Gesamtübersicht nicht gibt, können die Ergebnisse auch schon Schwachstellen und Handlungsbedarfe aufzeigen.

Zentrale Workshops sollen die wichtigsten Themen der Bildungslandschaft in Gevelsberg beleuchten und z. B. zum Thema Ganztag alle Anbieter und Steakholder zusammenbringen, Stärken und Schwächen analysieren, sowie die Grundlagen für Handlungsempfehlungen legen. Geplant sind zentrale Workshops zu den Themen Ganztag, die Bildungssituation in zwei benachteiligten Stadtteilen, frühe Förderung im Übergang zwischen Kindergarten und Grundschule.

Gemeinsame Fortbildungen sollen Fachkräfte aus Jugendhilfe und Schule zu gemeinsamen Themen weiterbilden, etwa im Bereich der Elternarbeit oder auch im Themenbereich Kinder und Jugendliche und neue Medien. Im Gegensatz zu den zentralen Workshops, die für die Steuerung der Bildungsprozesse Grundlagen liefern sollen geht es bei den gemeinsamen Fortbildungen auch darum, dass sich die Fachkräfte begegnen, die in einem Stadtteil bzw. in der Stadt Gevelsberg gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen an unterschiedlichen Bildungsorten arbeiten. Damit soll auch die Praxis der üblichen Fortbildungen in den getrennten Bereichen von Jugendhilfe und Schule überwunden werden.

Befragung von Kindern und Jugendlichen: An mehreren Schulstandorten, sowie Spielplätzen und informellen Orten im öffentlichen Raum werden Kinder und Jugendliche vom Forschungsteam der Forschungsstelle befragt werden, zu ihrer schulischen aber auch Freizeitsituation, ihre Einschätzung der Bildungseinrichtungen und öffentlichen Räume etc. Über die Befragungen hinaus werden aktivierende Methoden, wie Nadelmethode (das Sichtbarmachen interessanter Orte auf Stadtkarten), sowie Cliquenraster etc. eingesetzt.

Steuerungsgruppe: Zur Steuerung des gesamten Prozesses ist eine paritätisch aus Schule und Jugendhilfe besetzte Steuerungsgruppe ins Leben gerufen worden, der auch Vertreter größerer Bildungsanbieter wie VHS oder AWO angehören. Dem Prozesscharakter des Gesamtprojektes folgend beschließt die Steuerungsgruppe die Gestaltung der einzelnen Veranstaltungen, interpretiert die Ergebnisse z. B. von Befragungen und formuliert daraus Empfehlungen.

Das Konzept der prozesshaften Gestaltung des Projektes besteht darin, das nach Ende der wissenschaftlichen Begleitung eine Struktur entstanden sein soll, die danach ohne große Probleme weitergeführt werden kann. Im April werden der erste zentrale Workshop sowie eine erste gemeinsame Fortbildung stattfinden, weitere Veranstaltungen sind geplant.

Forschungssemester/ Transfer in die Lehre

Den Aufbau der Bildungslandschaft verbindet Ulrich Deinet mit seinem Forschungssemester im Sommer 2009. Das Gesamtprojekt wird sich auch noch auf das Wintersemester erstrecken, so dass es eine interessante Möglichkeit zur Mitarbeit für Studierende gibt im Rahmen eines Lehrforschungsseminars zur Entwicklung der Bildungslandschaft in Gevelsberg im Wintersemester 2010.

Weitere Informationen zur Bildungslandschaft in Gevelsberg sowie ein grundlegender Beitrag sind auf der Seite der Forschungsstelle FSPE, sowie in dem von Ulrich Deinet und Christian Spatscheck herausgegebenen Online-Journal „sozialraum.de“ zu finden.

zur Seite des FSPE  >>

Frau Dahlhaus und Prof Dr. Deinet an einem runden Tisch.